dass die Welt und das Leben nach dessen Lehre ein "Koan" darstellen, ein paradoxes Rätsel, rational nicht zu lösen. Lässt eine Partnerübung folgen: Man solle doch bitte paarweise, zwischen 15 und 18 Uhr, eine Antwort auf das schwierigste ungelöste Problem im eigenen Leben finden!
Eine Teilnehmerin meldet sich, um die Übungsschritte mit Max Schupbach zu demonstrieren. Beklommene Stille tritt ein, als die schmächtige Frau vor der großen Gruppe stockend ihre Geschichte erzählt. Ihr 26-jähriger Sohn hat sich vor einen Zug gestürzt. Keine Vorwarnung. Kein Abschiedsbrief. Nur, fast wie zum Hohn, ein Plan der Brücke und der Zugfahrplan. Und nun seit fast zwei Jahren der Kloß, der ihr die Kehle zudrückt, und die Fragen: "Warum konnte ich ihn nicht halten? Warum hat meine Liebe nicht ausgereicht?"
Im Zwiegespräch über die Biografie des Jungen schält sich das Bild eines hoch intelligenten, hoch sensiblen Außenseiters heraus, der seit Kindergartentagen zu kämpfen hatte, sich nicht verbiegen ließ, es sich und anderen schwer machte, unerschrocken, mit eigenem Kopf, auf sich selbst bezogen.
Schupbach schlägt vor, den Suizid als Fortsetzung dieses Lebensstils zu interpretieren: "Dein Sohn hat gesagt: Ich lebe, wie es für mich richtig ist. Also auch: so lange, wie es für mich richtig ist." Die Mutter schaut ins Leere, nickt zögernd. |
|
|
|
|
Der Psychologe bittet sie aufzuste-hen, sich hineinzuspüren in ihre körperlichen Reaktionen. Und nach einer Weile ballt die kleine, zarte Frau die Faust, stampft mit dem Fuß auf. Erzählt von ihrer Wut, wenn junge Leute ihr auf dem Trottoir entgegenkommen und wie selbstverständlich erwarten, dass sie diejenige ist, die ihnen ausweicht. Erwähnt mit gewissem Stolz, dass sie manchmal einen Zusammenstoß riskiert. Begreift vor den Augen von 53 Zuschauern überrascht, dass sie vielleicht nicht nur ein Häufchen Elend ist, dass das Stampfen und die Wut zu ihrem Weg gehören, sich von dem toten Sohn zu lösen und ihn zu bewahren.
Paarweise üben nun die anderen Workshop-Teilnehmer mit ihren eigenen Themen die Kombination aus Frage-Antwort, Erkenntnisblitzen, Körpereinsatz. Und tatsächlich: Noch vor dem Abendessen lässt sich erstaunlich viel er-, be- und verarbeiten. Einige formulieren die Antwort auf ihr persönliches Problem nach Art eines japanischen Haiku. Eine Frau trägt vor: "Liebster Sohn ist fort / trotz der Trauer glücklich sein / das funktioniert."
"Prozessorientierte Psychologie" heißt der Ansatz, nach dem Max Schupbach arbeitet. Trauer empfindet er "auch als Fortbildung - ein Teil Schmerz, ein Teil Selbsterfahrung, ein Teil Auseinandersetzung mit Konzepten". |
|
|
|
|