Elternpaar vor einem Granitfindling aus der Feldmark; Pinsel und Farbe liegen bereit. Die Steinmetzin hat es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit den Familien der Toten Grabsteine zu gestalten, bei denen jedes Detail individuell bedeutsam ist. Die Tochter ist nur ein halbes Jahr alt geworden. Die Mulde für den Plüschpinguin ist schon fertig; nun geht es darum, Platz für die Schnecke und das Wölkchen zu finden. Kreativität hilft, Wehmut zu lindern.

Bestattungsinstitut Ahorn-Grieneisen, Berlin. "Mut zu einer neuen Trauerkultur" propagiert Rolf-Peter Lange, Sprecher des größten deutschen Bestattungskonzerns. Als Alternative zur "Fließbandabfertigung" in Friedhofskapellen richtet das Unternehmen "Häuser der Begegnung" für Trauerfeiern ohne Zeitdruck und Termindiktat ein. Ausgefallene Wünsche sind zumindest in Großstädten auch für Traditionsfirmen kein Tabu mehr - die letzte Ruhe im Taucheranzug, die Beisetzung mit Fackelzug oder Rockband.
Außenseiter unter den rund 3900 deutschen Bestattungsunternehmen garantieren noch mehr Extravaganz. Eine "Event-Bestatterin" präsentiert Urnen in Erdbeerdesign oder mit Plüschbezug in Pink. Eine Künstlerin bemalt Särge mit Popkulturmotiven. Als Alternative zu Seebestattungen bieten Firmen neuerdings solche aus der Luft an. Nach dem Aufstieg mit dem Heißluftballon wird die Asche dicht über die Wipfel eines Waldes hinter der französischen Grenze
verstreut. Die Firma Celestis in Hannover schickt Totenasche mit der NASA sogar in den Weltraum: In lippenstiftgroßen Hülsen werden einige Gramm in die letzte Raketenstufe eingebaut. Wenn alles gut geht, folgen ein paar Jahrzehnte in der Erdumlaufbahn.

Geschmacklos? Avantgardistisch? Einen Zweck erfüllen die neuen Formen: Sie holen den Tod zurück in die öffentliche Diskussion. Wie dringend geboten das ist, wissen diejenigen, die Trauernde betreuen. "Verhinderte Trauer behindert Leben", sagt Pastor Wolfgang Teichert, Leiter der Evangelischen Akademie Nordelbien in Hamburg.

Teichert sieht es als "wichtige kulturelle Aufgabe der Gesellschaft" an, "Trauer wieder zuzulassen". Denn wer sich dem Abschiedsschmerz stellt und ihn durchlebt, gewinnt die Freiheit, wieder nach vorn zu schauen.

Der vielleicht eindrucksvollste Lehrer für diese Lektion lebt in Ber-gisch Gladbach: Fritz Roth, 54 Jahre alt, Bestatter. Vollbart, Figur wie Rezzo Schlauch, Katholik und Kirchenmitglied, ein rheinisch jovialer Provokateur mit philosophischer Neigung.

Berufskollegen wirft Roth vor, dass sie den Hinter-bliebenen "die Toten stehlen". Weil sie sich zu sehr um die "Innenausstattung" der Särge kümmerten